

Vor der eigendlichen politischen Kundgebung traf Peer Steinbrück in der Bücherei mit Kindern zusammen, um mit ihnen über "große" Politik zu diskutieren. Ministerpräsident wurde – zum besseren Verständnis – mit "Schuldirektor für ganz NRW" übersetzt. Was der Ministerpräsident verdiene, ob er mit einer Staatskarrosse gekommen sei, ob er Bodygards habe und was er machen würde, wenn er die Wahl gewinne aber auch verliere.
Der Ministerpräsident Peer Steinbrück antwortete geduldig, stellte seinen Stundelohn und seine Bodygards vor, machte aber auch deutlich, dass Macht in einer Demokratie immer nur geliehen sei und der Wähler bestimme, wer weiter regieren darf. Das sei gut so. Er sei jedoch guten Mutes diese Wahl zu gewinnen.
In der späteren Pressekomferenz und in der Veranstaltung machte Steinbrück deutlich, dass diese Wahl erst in den letzten fünf Tagen entschieden werde. "Gewinnen wird der, der am besten mobilisiert".
Die Westdeutsche Zeitung am 10.5.2005:
Der Schuldirektor von ganz NRW
Peer Steinbrück war gestern zu Gast in Mettmann. Entspannt und locker sprach er mit Kindern über Politik, Kinderbetreuung, Bodyguards und Schulden.
Von Tanja Albrecht
Kreis Mettmann. Souveränität gepaart mit norddeutschem Charme bei den Kindern, die gestern mit NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück in der Mettmanner Stadtbibliothek sprachen, kam diese Mischung gut an. Lässig und ungezwungen nahm der Landesvater auf einem der orange-roten Stühle Platz und begann den Dialog ohne große Vorrede. „Wie lange habt ihr gewartet? Kommt ihr alle aus Mettmann? Wisst ihr, was ein Ministerpräsident macht?” fragte er schnell und direkt in die Runde.
Mit so wenig Scheu hatten die Mädchen und Jungen nicht gerechnet. Nur zögerlich und mit leiser Stimme gaben sie die ersten Antworten. Doch die richtige ist nicht dabei. „Ich bin der Schuldirektor von ganz NRW”,versuchte Steinbrück seine Funktion im Land zu erklären. Immer im Blick habe er zum Beispiel die Verkehrspolitik, die Schulen, Bildung „alles, was mit Geld zu zu tun hat.
„Wie sind Sie zur Politik gekommen”, wollte ein Mädchen wissen. „Ich bin immer gefragt worden und habe meistens ja gesagt. Und so bin auch Ministerpräsident geworden”, antwortete Steinbrück, „aber mich haben auch viele gewählt.” Und nur wenn die Menschen in NRW ihn am 22. Mai wollen, würde er bleiben. Wenn nicht, müsse er sich neu einrichten. „Das muss man akzeptieren”, sagte Steinbrück.
„Warum haben Sie so viel Geld”, wollte Vincent (9) wissen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war das Eis zwischen Steinbrück und seinen jungen Gesprächspartnern gebrochen. „Das ist wahr. Ich habe bestimmt mehr Geld als viele Menschen in NRW”, sagte der Landesvater, „ich verdiene 35 Euro in der Stunde, aber ich arbeite auch viel.”
Jetzt kamen die Fragen Schlag auf Schlag. Es ging um Kinderbetreuung, Bodyguards, gepanzerte Limousinen, Schulden, Steuern und die Unterschiede zu Steinbrücks Herausforderer Jürgen Rüttgers und die CDU. „Wir unterscheiden uns in vielen Fragen”, sagte der Ministerpräsident. „Bei der Studiengebühr, der Energiepolitik, der Frage der Mitbestimmung und der Einsparungen”, zählte er nur einige von vielen Differenzen auf. Und die sollen in 13 Tagen auch die Wahl entscheiden. „Es ist eine Richtungswahl, bei uns gibt es kein politisches Allerlei”, machte Steinbrück nach dem Gespräch mit den Kindern noch einmal deutlich. „Es wird diejenige Partei gewinnen, die am besten mobilisieren kann”, ist er sich sicher. Denn gut ein Drittel der Wähler würde sich erst in den letzten vier Tagen vor dem Urnengang entscheiden, wo es sein Kreuzchen macht.
„Es geht auch um den personellen Vergleich”, meinte Steinbrück, beim Personal gäbe es deutliche Qualitätsunterschiede. „Was da als Schattenkabinett vorgestellt wird, ist sehr schattig”, sagte er in Richtung Rüttgers. „Das werden jetzt stramme 13 Tage” prophezeite er. „Es kommt auf die letzten 72 Stunden an.”
Die WAZ-Velbert und die NRZ im Südkreis berichten am 11.5.2005:
Wie ein Schuldirektor, der keine Noten verteilt
"Wie sieht Ihr Arbeitstag aus?" und "Was werden Sie anders machen, wenn Sie wiedergewählt werden?": Antworten auf diese und andere Fragen von Schülern zwischen neun und 14 Jahren gab NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) in der Mettmanner Stadtbibliothek.
In der Leseecke haben sich der 58-Jährige und die Schüler versammelt – versorgt mit Getränken und extra zu Wahlkampfzwecken eingetüteten "Gummipeerchen". Zunächst gilt es für die Kinder von Grund- und weiterführenden Schulen zu klären, mit wem genau sie es da eigentlich zu tun haben. "Ich bin Schuldirektor von ganz Nordrhein-Westfalen, verteile aber keine Noten", wagt Steinbrück einen Vergleich mit dem pädagogischen Metier. Oder anders: So etwas wie Kanzler Schröder sei er, nur auf Landesebene. Kennen die Schüler Schröder? Mhm, kennen sie.
Schwieriger ist es da schon, den Schülern Finanzpolitisches zu veranschaulichen – zum Beispiel die Sache mit dem Steuern zahlen. "Dich mach´ ich zum Finanzminister", verspricht Steinbrück einem Jungen, der sich besonders eifrig und interessiert in Gelddingen zeigt.
Auch Sport steht bei der Fragestunde auf der Tagesordnung: "Was ist Ihr Lieblingsclub?" – "Gladbach, Gott sei Dank steigen die nicht ab", so der Landesvater über den Verein, dessen Angriffsfußball während der Ära Netzer ihn begeisterte. Er selbst habe auch bis in die Jugend hinein Fußball gespielt – meist mit Blechdose statt Ball – und sich dabei auf der Straße die Knie aufgeschürft. Heute komme er immer seltener dazu, Sport zu treiben – "aber gestern hab´ ich mal wieder Tennis gespielt".
Sein Arbeitstag beginne am Morgen um viertel nach neun im Büro, setze sich mit Besprechungen und Gremien fort. Oft sei er bis abends lange unterwegs – und dann warteten meist noch eine Menge Akten zur Bearbeitung auf ihn. Mitunter fliege er zweimal täglich nach Berlin und zurück. Ferner erfuhren die Schüler auf Nachfrage vom Ministerpräsidenten, dass er relativ viel verdiene ("etwa 35 Euro pro Stunde"), aber dafür auch viel arbeiten müsse. Und dass er drei Kinder habe – zwei Töchter, 28 und 26, einen Sohn, 21 – und eine Frau, die Gertrude heiße, aber ihren Vornamen nicht besonders möge.
Was unterscheide ihn denn von seinem Herausforderer bei der Wahl? Es gebe, so Steinbrück, unterschiedliche Ansichten bei der Frage "Studiengebühren – ja oder nein?" (er selbst wolle keine Gebühren einführen) wie auch im Bereich der Energiepolitik: Als "Absicherung gegen große Risiken" wolle er nicht ganz auf Steinkohle verzichten.
So er denn wiedergewählt werde, wolle er sich besonders im Bereich Bildung engagieren, die nachmittägliche Betreuung auch für Fünft- und Sechstklässler ausbauen, genau wie den Sprachunterricht. Die Schüler hören aufmerksam zu – und futtern dabei "Gummipeerchen". "Möchten Sie eins?", fragt einer von ihnen. Kommentar Steinbrück ob der lauwarmen Elastizität der Süßigkeit: "Mensch, wie lange hast Du das denn schon in der Hand gehabt?!"
10.05.2005 Von Tim Gallandi
RP-Mettmann vom 10.05.2005
Ministerpräsident Peer Steinbrück spricht mit Kindern über Politik, Schulden und seine Arbeit als Regierungschef.
400 Besucher erlebten ihn und die SPD-Landtagskandidaten in der Neandertalhalle.
VON JÜRGEN FISCHER
METTMANN/WÜLFRATH „Weiß irgend jemand, was ein Ministerpräsident ist?" fühlte Peer Steinbrück gestern vorsichtig vor, als er sich in Mettmanns Stadtbücherei mit jungen Schülern traf. Die Antworten kamen zögerlich, und waren auch nicht so ganz richtig. Der SPD-Ministerpräsident half nach: „Stellt euch vor, ich bin der Schuldirektor von Nordrhein-Westfalen." Das verstanden alle.
Unabhängiges NRW
Ob er einen Lieblingsverein habe, wollten die Jungs wissen. Klar doch, Borussia Mönchengladbach. Die spielten früher optimalen Angriffsfussball und haben mal eine italienische Mannschaft 7 : 0 abgezogen. Später, im Saal der Neandertalhalle, kam er noch einmal aufs Thema Fußball zurück. Unter Alkoholeinfluss, kalauerte Steinbrück, könnte er schon eine Unabhängigkeitserklärung für NRW unterzeichnen. Dann hätte Nordrhein-Westfalen nicht nur einen eigenen Außenminister, sondern auch eine eigene Liga. Der Scherz sollte deutlich machen, welche Wirtschaftskraft im Land und seinen Menschen steckt:
Wäre NRW ein eigener Staat, wäre es der sechstgrößte in der Europäischen Union – noch vor Schweden oder Österreich etwa.
Was unterscheidet den Sozialdemokraten Steinbrück von den anderen, vor allem von seinem Herausforderer Jürgen Rüttgers von der CDU, der seinen Job haben möchte? „Wir wollen Bildung, und ihr sollt für euer erstes Studium nichts bezahlen müssen", sagte er den Schülern. Und wir wollen nicht nur von Ölimporten abhängig sein, daher setzen wir auch auf Kohle. „Wir können nicht zulassen, dass eine Firma bei uns 400 Arbeitsplätze abbaut und in Tschechien ansiedelt", sagte er später im Saal. Besonders verwerflich finde er es, wenn das Unternehmen dafür auch noch finanzielle Unterstützung von der Europäischen Union bekommen. Auch steuerliche Förderung von Beteiligungen an Unternehmen im ehemaligen Ostblock schmecke ihm nicht. Aber daran könne er nur mit Hilfe der EU etwas ändern.
Nowodworski: Wir brauchen Hilfe
Mettmanns Bürgermeister Bodo Nowodworski nutzte die Gelegenheit, den Ministerpräsidenten bei Small Talk am Rande, bei Brötchen und Hühnersuppe, um Hilfe für Mettmann zu bitten. Umgehung Straßen könnten die Kreisstadt und der Kreis nicht allein schultern nachdem die B 7n „gestorben" ist. Steinbrück versprach, er werde sich berichten lassen.
Und dann tat er das, was die Arbeit eines Ministerpräsidenten ausmacht, wie er den Kindern erklärt hatte: durch’s Land reisen, Besuche machen, reden…
SPD-Wahlkampf
400 Besucher kamen gestern in die Neandertalhalle. Vor der Wahlveranstaltung sprach Ministerpräsident Peer Steinbrück mit Schülern. In der Stadthalle waren alle vier SPD-Landtagskandidaten aus dem Kreis Mettmann: Thomas Dinkelmann, Wolfgang Werner, Hans Kraft und Werner Bischoff.