
SPD-Urgestein Hans-Jochen Vogel löste bei „Kerstin Griese trifft …“ so viel Begeisterung aus, wie wohl noch keiner der inzwischen mehr als 25 Gäste der Gesprächsreihe. „Es gibt auch ehemalige Parteivorsitzende, die die Sache nicht hingeworfen haben und Woche für Woche in der Bild-Zeitung die eigene Partei bekämpft haben“, begründete Hans-Jochen Vogel seinen Einsatz im Wahlkampf mit einem Angriff auf Oskar Lafontaine. Trotz seines hohen Alters von 79 Jahren wolle er Solidarität üben „nicht nur wenn es ums eigene Amt geht“, erfuhren die etwa 100 Besucher im Bürgerhaus Frankenheim.
Zwei rote Sessel sind das Erkennungsmerkmal der „Kerstin Griese trifft …“-Reihe. Doch Hans-Jochen Vogel hielt es nicht lange in seinem Sessel Unmittelbar nach seiner Begrüßung durch die Ratingerin Kerstin Griese (38) stand er auf und absolvierte den Abend hin und her wandernd. Sein Rücken und sein Alter würden das lange Sitzen nicht vertragen, bat er um Verständnis. Außerdem passe das stehende Dozieren mehr zu seinem Ruf als „Oberlehrer“, fügte Vogel selbstironisch an. Die Abgeordnete Kerstin Griese war zunächst sichtlich überrascht, sie ließ sich aber im Folgenden nicht weiter irritieren und führte gewohnt souverän durch den Abend. Sie erfuhr, dass der für seine Pedanterie bekannt gewordene Ex-SPD-Vorsitzende sein letztes Buch eigentlich „Klarsichthülle“ nennen wollte, dies aber am Verleger gescheitert sei.
Das Fernsehduell zwischen Schröder und Merkel war das erste Gesprächsthema. Schröder sei sehr überzeugend und gleichzeitig fair gewesen, stellte Vogel fest. Am meisten verwundere ihn der Schatten-Finanzminister Paul Kirchhof, dessen unsoziale Steuerpläne von den Parteitagen der CDU und der CSU abgelehnt worden seien, er aber trotzdem in die Regierung eintreten wolle. Durch diese Widersprüchlichkeit mache Angela Merkel einen „merkwürdigen Eindruck der Unbestimmtheit und Unvorhersehbarkeit“, warnte Hans-Jochen Vogel, der bis 1982 Bundesjustizminister war.
Auch die Familienausschussvorsitzende Kerstin Griese wies auf die erzkonservativen Ansichten von Kirchhof hin. „Er will, dass die Frauen ihr Glück und ihre Karriere in der Familie machen und nur der Mann für die ökonomische Versorgung zuständig sei“, zitierte sie aus einem Kirchhof-Aufsatz.
Seit seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik engagiert sich Hans-Jochen Vogel dem von ihm mitbegründeten überparteilichen Verein „Gegen Vergessen – für Demokratie“ gegen Rechtsextremismus. Nach Hoyerswerda, Rostock und Solingen habe er etwas gegen das „Wegschauen“ tun wollen, so Vogel. Kerstin Griese, die vor ihrer Abgeordnetentätigkeit als Historikerin in der Düsseldorfer Gedenkstätte für die NS-Opfer beschäftigt war, bekräftigte die Notwendigkeit des Engagements. Sie wies auf die Programme gegen den Rechtsextremismus hin, die die Bundesregierung in den letzten Jahren gestartet hat.