Unser Mettmann in Berlin

Der (fast) unbekannte Kandidat
Wer an diesem Samstagmorgen nicht zuhause geblieben ist, muss einen guten Grund dafür haben. Es regnet in Strömen, der Wind fegt die Blätter von den Bäumen, und doch ist der Saal im Ratinger Freizeithaus voll. Gut, die SPD im Kreis Mettmann hat zum Parteitag eingeladen, eine Pflichtveranstaltung für die Genossen. Und dort soll auch über die Kohlenmonoxyd-Pipeline von Bayer geredet werden, die für Streit und Angst in der Bevölkerung sorgt. Aber da gibt es ja noch die Aussicht auf einen Auftritt, den man hier sonst eher selten hat: Ein Spitzen-Genosse kommt. Genauer: Peer Steinbrück, Partei-Vize, Bundesfinanzminister – und seit kurzem auch Kandidat für den Wahlkreis Mettmann I. Und das verspricht, ein wenig Glanz in diesen tristen Vormittag zu bringen.

Das hat mit seinem Namen zu tun

Nicht, dass Steinbrück, der Minister, aber bisher kein Abgeordneter ist, plötzlich seine Liebe zu Haan, Hilden und Monheim entdeckt hätte. Die Entscheidung für den Wahlkreis östlich von Düsseldorf fiel, weil es einen Flughafen in der Nähe gibt und sein Wohnort Bonn nicht allzuweit weg ist. Trotzdem hat niemand etwas dagegen, dass die örtlichen Funktionäre ihn einstimmig als Kandidaten vorschlugen. "Ich finde das gut, sehr gut", sagt Volker Sprink knapp. Dass Steinbrück vorgeschlagen wurde, findet der Genosse vom Ortsverein Monheim, "hat ja auch was mit seinem Namen zu tun". Und von dem erwarten sich die Sozialdemokraten einiges: Er soll den Wahlkreis zurückgewinnen, der bei der letzten Bundestagswahl an eine CDU-Frau ging. "Und dann kann er auch was für die heimische Wirtschaft tun."

"Wir wollen keinen, der hier nur sein Bild aufhängt"

Eine Win-win-Situation, würde Steinbrück es wohl nennen. Aber eine, in die er noch investieren muss. Mangelnden Stallgeruch wirft ihm zwar niemand mehr vor. Strink: "Der soll ja nicht riechen, der soll was für uns tun. Und der ist doch 40 Jahre in der Partei." Aber die Mettmann-Genossen erwarten auch, dass er sich bei ihnen umtut. "Wir wollen keinen, der hier nur sein Bild aufhängt", erklärt der Haaner Udo Carraro kategorisch. Aber Steinbrück habe versprochen, sich um den Wahlkreis zu kümmern. "Und der hält sein Wort."

Lacher und skeptische Blicke

Ungewohnte Bühne
Also sitzt Peer Steinbrück an diesem regnerischen Samstagmorgen in einem Saal, der den Charme der Siebziger Jahre ausstrahlt, vor sich viele Anträge, Unterschriftenlisten und Fotografen. Eine "mitreißende Rede, wie man es von ihm kennt", hatten sich die Genossen gewünscht, eine, "die einen Ruck durch die Partei gehen lässt und Mut macht". Was er dann liefert, ist nicht aufrüttelnd, tut der Genossenseele aber gut. "Das war eine sehr gute Zeit zwischen 98 und 2005", erinnert er an die Schröder-Ära, und: "Guckt nicht immer auf die Umfragen". Er erntet Lacher ("Ich habe Verwandtschaft hier, die wählt aber nicht SPD. Das werde ich ändern") und Beifall ("Wir müssen auch über die reden, die niedrige Löhne bekommen, obwohl sie vollschichtig arbeiten"). Er wird aber auch skeptisch beäugt, etwa beim Thema Mineraölsteuer: "Ich mache keine billigen Versprechungen für den Preis des Beifalls hier im Saal." Und in Sachen Kohlenmonoxyd-Pipeline weigert er sich kurzerhand, Stellung zu beziehen. "Ich muss ja erstmal zuhören, ehe ich naseweise Empfehlungen gebe", verteidigt er sich später.

"Lieber Herr Finanzminister"
Der Beifall für seine Rede ist freundlich, mehr nicht. "Er hat ein Stückchen Mut gemacht", findet der Monheimer Strink. "Uns muss er ja nicht überzeugen, dass er für uns der Richtige ist," ergänzt sein Nachbar. Der Wahlkampf mit aufpeitschenden Reden ist ohnehin noch weit weg. Heute ist nicht der Kandidat in spe gefragt, sondern der "liebe Herr Finanzminister". "Lass den Minister bitte weg", fällt Steinbrück ein und gibt dann Antwort. Mindestlohn, Postmonopol, Behinderte und Hartz IV – Mettmanner Probleme, die in Berlin vorgetragen werden sollen. Erst in der kurzen Pause kommt "der Peer" zu seinem Recht. Da steht er vor der Tür, dicht umringt von seinen Genossen, die vor allem eines interessiert: wo er sein Wahlkreisbüro einrichten wird. Schließlich ist das auch eine Sache der Ehre. Aber da hält sich Steinbrück bedeckt.

Die Vorstellungstour hat begonnen

"Der Peer" und die Genossen
Ein energisches Klingeln, der Parteitag geht weiter. Steinbrück sitzt wieder vorne und hört sich den Leitantrag zur Arbeitsmarktpolitik an. Nach 20 Minuten steht er auf, genug Mettmann für heute. "Der Mann", heißt es verständnisvoll am Präsidiumstisch, "hat schließlich auch noch ein Privatleben." Und nächste Woche ist er eh wieder da, um seine neue Heimat Mettmann kennenzulernen.