
Kerstin Griese freute sich im Ratinger Bürgerhaus ganz besonders, dass sie mit Verena Bentele erstmals eine Goldmedaillen-Gewinnerin bei „Kerstin Griese trifft …“ begrüßen konnte. Zuerst fragte die Abgeordnete ihren Gast danach, wie Biathlon und Langlauf funktionieren, wenn man blind ist. „Beim Langlauf gibt es einen Begleitläufer, der zwei bis drei Meter vor mir mitläuft“, so Bentele. „Er muss 100 Prozent so laufen, dass ich mich an seinen Geräuschen, seiner Stimme, seinem Windschatten orientieren kann.“ Beim Schießen zeige ein akustisches Signal an, wie gut das Gewehr auf das Ziel gerichtet ist.
„Ich hatte ein klares Ziel“, erzählte die zwölffache Paralympics-Siegerin davon, wie sie sich nach einem schweren Sturz wieder in den Sport zurückkämpfte. „Man muss immer sagen, welche Form von Unterstützung man braucht.“ Das sei auch wichtig für die Inklusion. Kerstin Griese zeigte sich beeindruckt davon, dass Bentele nach dem Abschluss ihrer Leistungssportkarriere weitere sportliche Herausforderungen sucht und zuletzt ein Langstrecken-Radrennen in Norwegen bestritt. „So einen Kick gibt einem die Politik eher selten“, sagte Verena Bentele, die mit der kurzweiligen Schilderung ihres Weges vom Sport in die Politik das Publikum begeisterte.
Für Politik habe sie sich schon immer interessiert, so Bentele. Zweimal hat sie auf Vorschlag der SPD an der Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten teilgenommen. Für Benteles Eintritt in die SPD sei ein Treffen mit dem damaligen Oberbürgermeister Christian Ude entscheidend gewesen, mit dem sie sich im Zuge der München-Bewerbung für die olympischen und paralympischen Spiele lange unterhalten hat.
Inzwischen ist Bentele Mitglied im Münchener Stadtrat und Behindertenbeauftragte der Bundesregierung – die erste, die selbst mit einer Behinderung lebt, unterstrich Griese.
Es werde zu oft versucht, zu beweisen, dass Inklusion nicht funktioniert, sagte Verena Bentele. Dies sei der Eindruck, den sie insbesondere in der Diskussion um den gemeinsamen Unterricht in den Schulen gewonnen habe. Bentele hätte sich selbst gewünscht, auf die gleiche Schule wie ihr Bruder gehen zu können und nicht ein spezielles Internat zu besuchen. „Wie können wir schulische Inklusion so ermöglichen, dass am Ende alle Beteiligten damit glücklich sind?“, plädierte sie sehr nachdrücklich für Angebote gemeinsamen Lernens von Kindern mit und ohne Behinderung. Griese erläuterte, dass es in NRW seit diesem Jahr zunächst für das erste und fünfte Schuljahr einen Rechtsanspruch darauf gebe, dass behinderten Kindern auch eine allgemeine Schule angeboten wird.
Deutschland sei bei der Barrierefreiheit schon ein gutes Stück weitergekommen, so die Behindertenbeauftragte. Andere Länder seien aber noch weiter. „Durch die UN-Behindertenrechtskonvention ist Barrierefreiheit ein Rechtsanspruch – vom Fahrplanlesen bis hin zu Informationen von Behörden“, wies Bentele auf Beispiele hin, die für Sehbehinderte wichtig sind. „Wenn wir Inklusion wirklich umsetzen wollen, ist das Gespräch mit den Betroffenen das Wichtigste“, sagte sie in der lebhaften Diskussion im Ratinger Bürgerhaus, an der viele Vertreter von Behindertenverbänden teilnahmen.