
Reiner Hoffmann, der seit Mai Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ist, war Gast bei „Kerstin Griese trifft …“ im Forum Niederberg. „Sie hat mich schon vor meiner Wahl eingeladen“, verriet der aus Wuppertal kommende Gewerkschafter.
Der flächendeckende Mindestlohn sei ein historischer Durchbruch, ist sich Reiner Hoffmann sicher. Aber der Mindestlohn allein reiche nicht. „Es ist ein Skandal, dass Arbeitgeber praktisch täglich Tarifflucht begehen. Wir müssen möglichst viele Beschäftige unter den Schutz von Tarifverträgen bringen“, forderte er.
Griese wies darauf hin, dass vom Mindestlohn keine einzige Branche ausgenommen sei. Das in der Großen Koalition durchgesetzt zu haben, sei ein sehr großer Erfolg. „Die Ausnahme für Langzeitarbeitslose ist völlig unsinnig“, räumte Kerstin Griese ein. „Diese Ausnahme werden wir noch Mitte 2016 überprüfen“, hofft die Arbeits- und Sozialausschussvorsitzende darauf, dies noch in dieser Legislaturperiode rückgängig zu machen.
Kerstin Griese sagte, dass sich der Arbeitsmarkt in Deutschland und gerade auch in der bergischen Region sehr robust zeige. Die von Manchen geschürte Behauptung, allein die Ankündigung eines Mindestlohns würde zu Jobverlusten führen, erweise sich als unwahr. „Wir brauchen mittel- bis langfristig einen sozialen Arbeitsmarkt“, war sich Kerstin Griese mit Reiner Hoffmann einig. Der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit muss nach Grieses Vorstellung viel mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Griese und Hoffmann diskutierten mit dem Publikum auch über die Bahnstreiks und die Gewerkschaft der Lokführer (GdL), die nicht dem DGB angehört. „Die GdL ist nicht die älteste Gewerkschaft Deutschlands, sondern eine im Kaiserreich gegründete Standesorganisation“, rückte Hoffmann eine oft gehörte Behauptung zurecht. Gewerkschaften seien historisch deshalb gegründet worden, damit sich Arbeitnehmer nicht gegeneinander ausspielen lassen, so Hoffmann. „Solidarische Tarifpolitik für alle sicherstellen“, darum gehe es. Die Einheitsgewerkschaft sei Folge einer historischen Erfahrung, so Kerstin Griese. In einigen Bereichen klappe es sehr gut, dass Gewerkschaften miteinander kooperieren, insbesondere bei der Bahn aber nicht. Griese betonte ihre Unterstützung für das von Ministerin Andrea Nahles vorgelegte Tarifeinheitsgesetz, nachdem im Konfliktfall die mitgliederstärkere Gewerkschaft das Sagen hat. „Das Mehrheitsprinzip kennen wir von allen demokratischen Entscheidungen“, stimmte Hoffmann ihr zu. Kerstin Griese: „Die Art und Weise wie die GdL agiert, diskreditiert das Streikrecht.“
„Wir alle wissen, dass Handel eine Quelle von Wohlstand ist“, sagte Reiner Hoffmann zu dem viel diskutierten Transatlantischen Handelsabkommen TTIP, das Europa mit den USA abschließen wolle. „Unsere Unternehmen sind international verzahnt. Wir müssen die Chancen nutzen für eine faire Gestaltung der Globalisierung“, betonte der Gewerkschaftsvorsitzende. „Europa ist im globalen Kontext ein soziales Referenzmodell. Ich bin dagegen, nein zu sagen. Denn wenn wir nein sagen, sind wir außen vor.“