
Es ist traurig, aber wahr, dass das Europäische Parlament Monat für Monat zwischen zwei Sitzen – Straßburg und Brüssel pendelt. Zwölf mal im Jahr hält das Europäische Parlament seine Plenarsitzungen in Straßburg ab, kurze Plenartagungen, die Sitzungen der Fraktionen sowie die Ausschussarbeit finden hingegen in Brüssel statt, wo auch die Kommission und der Rat ihren Sitz haben. Darüber hinaus ist die Verwaltung des Europäischen Parlaments in Brüssel angesiedelt, ein kleiner Teil befindet sich in Luxemburg.
Dieser “Wanderzirkus” wird oft zu Recht als teuer und ineffektiv kritisiert, die Verantwortung dafür ist allerdings nicht den Europaabgeordneten zu zurechnen. Die Arbeitsteilung des EU-Parlaments zwischen Brüssel, Luxemburg und Straßburg ist seit 1992 in den EU-Verträgen festgelegt. Hier ist auch festgelegt, dass das Parlament zwölfmal im Jahr in Straßburg tagen muss. Um dies zu ändern müsste also der Vertrag über die Europäische Union geändert werden. Dies kann aber nur einstimmig durch alle Mitgliedstaaten geschehen. Teilweise sind bei Vertragsänderungen sogar Mitgliederentscheide in den einzelnen Mitgliedstaaten vorgesehen. Eine Vertragsänderung müsste zudem vom Europäischen Rat, also dem Rat der Staats- und Regierungschefs auf den Weg gebracht werden. Alle Forderungen des Europäischen Parlaments, dieses Thema wieder auf die Tagesordnung im Europäischen Rat zu setzen sind bis dato gescheitert. Bislang hat sich kein Mitgliedsland gefunden – auch Deutschland nicht – das dieses Ansinnen unterstützt hätte und Frankreich achtet mit Argusaugen darauf, dass an diesem Vertragsteil nicht gerüttelt wird. Aus ihrer Sicht auch durchaus verständlich, denn für das sonst etwas beschauliche Straßburg ist die Anwesenheit der EU-Parlamentarier ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Hotels, Restaurants und Taxi-Unternehmen erleben in der Zeit der Plenartagungen einen wahren Boom.
Da Frankreich nicht bereit ist, die Sitzungen in Straßburg zur Disposition zu stellen, wird es wohl auf absehbare Zeit bei der Dualität der Tagungs- und Arbeitsorte bleiben, auch wenn eine Mehrheit der Europaabgeordneten stets darauf pocht, die Entscheidung über den Sitz seines Parlaments selbst treffen zu können. So geschehen auch bei der letzten Abstimmung zum Haushalt der Europäischen Union, wo wir erneut parteiübergreifend das Ende der monatlichen Pendelei gefordert haben, ohne Erfolg.
Für uns und unsere Mitarbeiter bedeutet es deshalb weiterhin, einmal im Monat Akten und Ordner einzupacken und für vier Tage nach Straßburg ziehen zu müssen. Insgesamt pendeln jedes Mal rund 2000 Personen mit tonnenschwerer Fracht über 530 Kilometer hinweg. Dies kostet jährlich rund 150 Millionen Euro. Geld das definitiv an anderen Stellen sinnvoller ausgegeben wäre. Deshalb werde ich mich auch weiterhin dafür einsetzen, dass Brüssel der einzige Sitz- und Tagungsort des Europäischen Parlaments wird, auch wenn ich persönlich Straßburg viel schöner finde als Brüssel.
Hintergrund:
Jahrelang konnten sich Belgien und Frankreich nicht einigen, wo sich der offizielle Sitz befinden sollte. Erst 1992 auf dem Gipfel von Edinburgh wurde eine Einigung erzielt. Belgien akzeptierte, dass Straßburg offiziell Sitz des Europäischen Parlaments wurde und dass dort zwölf Plenarsitzungen pro Jahr stattfinden, sofern andere Aktivitäten (Sitzungen der Ausschüsse und der politischen Fraktionen sowie Sondersitzungen) nach Brüssel verlegt würden. Diese Einigung wurde dann im Vertrag von Amsterdam festgeschrieben, der 1999 in Kraft trat.
Internetseite von Petra Kammerevert, MdEP: www.petra-kammerevert.eu |
|