EU-Parlament hat Ursula von der Leyen zur neuen EU-Kommissionspräsidentin gewählt
Das EU-Parlament hat Ursula von der Leyen heute Abend mit knapper Mehrheit zur neuen EU-Kommissionspräsidentin gewählt. Die europäischen Staats- und Regierungschefs hatten sie am 2. Juli einstimmig – mit Enthaltung Deutschlands – für dieses Amt nominiert. Von der Leyen schaffte es, die notwendige absolute Mehrheit der Europaabgeordneten hinter sich zu versammeln.
„Ich fürchte mit der Wahl von der Leyen hat das Europäische Parlament heute das vor fünf Jahren hart gegen den Widerstand des Rates erkämpfte Spitzenkandidatensystem zu Grabe getragen und sich damit selbst entmachtet, kommentiert Petra Kammerevert das Abstimmungsergebnis. „Das EU-Parlament hatte vor den Europawahlen immer wieder deutlich gemacht, dass es sich dem Spitzenkandidatenprinzip verpflichtet fühlt, wonach nur Präsident der Kommission werden kann, wer zuvor als Spitzenkandidat/in bei den Europawahlen angetreten ist. Mit Hinterzimmerdeals im Europäischen Rat, wie es in der Vergangenheit der Fall war, sollte ein für alle Mal Schluss sein. Mit der heutigen Abstimmung ist das EU-Parlament hinter seine eigenen Prinzipien zurückgefallen. Es ist als herber Rückschlag für ein wirklich demokratisches Europa zu bewerten.“
Alle 16 SPD-Europaabgeordneten haben aus diesem Grund heute gegen Frau von der Leyen gestimmt.
„Wir haben mit unserer Haltung schlichtweg an unserem Versprechen an die Wählerinnen und Wähler festgehalten: Mit ihrer Stimme sollten sie direkt auf die Wahl des zukünftigen EU-Kommissionspräsidenten Einfluss nehmen“, stellt Petra Kammerevert klar.
Aber auch inhaltliche Gründe sprachen gegen die Kandidatin des Rates. „Nicht nur, dass Frau von der Leyen in ihren vielen Jahren als deutsche Ministerin nicht überzeugen konnte und sich wegen diverser Berateraffären im Bundesverteidigungsministerium einem Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag stellen muss, sondern auch auf Grund Ihrer inhaltlichen Vorstellung hier im Parlament. Nachdem sie in der vergangenen Woche bei ihrer Vorstellung in der S&D-Fraktion ein sehr schwaches Bild abgegeben hat, sowohl hinsichtlich aller Fragen zur Durchsetzung von Grundwerten und Rechtsstaatlichkeit, zum Aufbau einer sozialen Säule und zur Herstellung echter Steuergerechtigkeit in der Union, versprach sie heute in ihrer Rede das blaue vom Himmel, so dass man meinen könne es sei schon Weihnachten. Sie versprach allen Alles, ohne konkret zu sagen, wie sie die Ziele erreichen will und woher die notwendigen finanziellen Mittel für all ihre Versprechen kommen sollen. Es war eine nette Rede – mehr aber auch nicht!“
„Frau von der Leyen wird sich jetzt an ihren Versprechungen messen lassen müssen“, so Petra Kammerevert weiter. „Ich persönliche zweifle daran, dass die neue EU-Kommissionspräsidentin, deren Nominierung von Anti-Europäern und Antidemokraten wie Orban und Salvini gestützt wurde, den dringend notwendigen sozialen und ökologischen Wandel in der EU wird vorantreiben können.“
Kammerevert weiter: „Große Sorge bereitet mir aber auch, dass wir heute eine Re-Nationalisierung des Parlaments – auch in der eigenen Fraktion erleben mussten. Anstatt als Parlament selbstbewusst aufzutreten und die eigene Macht zu stärken, konnte man förmlich spüren, dass offenbar nationale Regierungen, egal welcher Couleur, Druck auf die eigenen Delegationen ausgeübt haben, dem Deal des Rates zuzustimmen. Das ist keine gute Entwicklung. Das Europäische Parlament darf nicht zum verlängerten Arm der nationalen Regierungen oder des Rates werden. Wir werden in der nächsten Zeit auch in inhaltlichen Fragen mit Argusaugen darauf achten müssen, dass sich diese Tendenz nicht fortsetzt.“