Kaiserreich
Im Wahlkreis Solingen traten nach 1871 drei verschiedene politische Richtungen besonders hervor, deren Kandidaten auch in der Bürgermeisterei Richrath gewählt wurden: Das Zentrum war die Partei vorwiegend des katholischen Volksteils. Die liberalen Parteien fanden besonders bei den evangelischen Christen Resonanz. Die Sozialdemokratische Partei war die politische Heimat der Arbeiterbewegung. Zu den frühesten Hinweisen auf sozialdemokratische Aktivitäten im heutigen Stadtgebiet gehören die von einem provisorischen Komitee im März und April 1873 veranstalteten großen Volksversammlungen in Reusrath, in denen mehrere Redner aus Elberfeld über das Bestreben des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins sprachen. Die Anhänger der Sozialdemokratie waren nicht sehr zahlreich in den Jahren, als die Industrieentwicklung vor allem in Immigrath gerade erst begann. In der ersten Wahl lagen die Sozialdemokraten unter dem Reichsdurchschnitt, aber in
engeren Wahlen weit darüber. Die 77 % der Stimmen in der Stichwahl 1877 erreichten sie mithilfe der katholischen Wähler; diese stimmten gezielt für den Sozialdemokraten Moritz Rittinghausen, der schon 1848/1849 Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung gewesen war. Sie trugen mit dazu bei, dass er als erster Sozialdemokrat aus dem Bergischen Land in den Reichstag einzog. Die Sozialdemokraten steigerten ihren Stimmenanteil von 3 % (1874) auf 19 % (1890) im Jahr der Aufhebung der preußischen Kampfgesetze gegen die Sozialisten, trotz gewisser Schwierigkeiten, die andere Parteien nicht hatten. So weigerte sich auch in der Bürgermeisterei Richrath mancher Wirt, den Roten einen Saal zur Verfügung zu stellen…